Vierzehn Jahre ist das her? Ja, tatsächlich: Desperados 2: Cooper’s Revenge erschien 2006 für den PC. Damals zeichnete Atari als Publisher und Spellbound als Entwickler verantwortlich – und so richtig begeistern konnte die Western-Taktik im Test mit 68% nicht. Mittlerweile rauchen die Colts woanders: THQ Nordic hat sich die Lizenz geschnappt und Mimimi Productions führt Regie. Können die Macher von Shadow Tactics: Blades of the Shogun erneut überzeugen? Mehr dazu im Test.
Auch der Sohn des berühmten James Cooper hat es drauf: Als John in einem Zug nach Flagstone sitzt, der von Banditen überfallen wird, nimmt er das Gesetz in die eigene Hand. Dabei setzt er nicht nur auf List und Tücke, sondern auch auf rauchende Colts. Auf dem Dach des Zuges aktiviert man den neuen Showdown-Modus, der das Spiel pausiert und kann beim Auslösen zwei Banditen gleichzeitig erledigen – cool! Später sind so parallele Manöver mit mehreren Helden möglich. Der schöne Nebeneffekt: So befreit man Doc McCoy, seines Zeichens Scharfschütze und Arzt, der einen jetzt begleitet. Dieses schlagfertige Duo bahnt sich einen Weg bis zum Ende des Zuges.
Schon in dieser ersten längeren Mission zeigt Mimimi Productions, was man hinsichtlich taktischer Stealth-Action auf dem Kasten hat. Cooper und McCoy können zwar auch töten (sogar etwas zu einfach mit dem mächtigen Messerwurf), aber sie müssen angesichts der Übermacht clever sein: Man kann Schussgefechte gegen zwei, drei Feinde auch überleben, aber in der Regel zieht man gegen einen Wachtrupp den Kürzeren.
Also gilt es Sichtlinien zu studieren und auszuweichen, Hindernisse und Büsche als Deckung zu nutzen sowie einzelne Banditen anzulocken. Cooper kann eine Münze werfen, McCoys Arztkoffer ist noch nützlicher: er blendet den Gegner und ermöglicht einen Knockout oder Kill. Später kommen mit Hector und seiner Bärenfalle sowie Isabelle Moreau und Kate O’Hara weitere Helden mit individuellen Fähigkeiten von der Verkleidung bis hin zum Tritt in die Weichteile hinzu – und sobald der Fünfertrupp komplett ist, hat man wunderbare Kombinationsmöglichkeiten.
Aber es geht auch um die Basics: Gefesselte oder erledigte Feinde sollte man in einem Gebüsch verstecken, sonst schlagen die Wachen Alarm. Apropos: Sie bemerken, wenn jemand verschwunden ist, mit dem sie gerade noch sprachen – sehr schön.
Außerdem gibt es mehrere Feindtypen, von denen sich nicht alle so einfach veräppeln lassen. Manche mit Poncho beobachten alles genauer und die schweren Jungs mit den langen Mänteln kann nicht jeder ausknocken – da muss Hector ran. Hinzu kommen markierte Alarmposten, aus denen Verstärkung naht, sobald man zu plump agiert. Also gilt es, simultane Kooperation im Showdown-Modus zu planen! All das sorgt natürlich für Trial&Error, das im Zusammenspiel mit den Ladezeiten schonmal nerven kann.
Aber ich habe es immer und immer wieder gerne versucht! Denn letztlich ist dieses Desperados 3 ein sehr gutes taktisches Rätselspiel mit leicht humoristischem Westernflair. Wer öfter zwischenspeichert sowie die Möglichkeiten der Helden wohlüberlegt ausschöpft, kommt auch in einen Spielfluss. Euch ist das zu leicht oder schwer? Kein Problem: Es gibt vier Schwierigkeitsgrade: Anfängern empfehle ich den zweiten „normal“, allen Kenner von Shadow Tactics mindestens den dritten.
Die frei belegbare Steuerung ist weitgehend durchdacht, nur manchmal kann es bei der Wegfindung im Showdown-Modus inkonsequente Laufwege sowie beim Anvisieren kleine Zicken geben – ansonsten lässt sich das Spiel am PC (hier bewegt man die Figuren indirekt per Maus, falls man nicht den Controller verwendet) und auf den Konsolen (hier steuert man sie direkt mit dem Analogstick) sehr gut bedienen. Übrigens ist die deutsche Lokalisierung gelungen, sowohl was Texte als auch Sprecher angeht. Von der Story sollte man nicht zu viel erwarten, der Sprung von Johns Kindheit in den Zug wirkt etwas plump, aber später wird es durchaus mal amüsant in den Zwischensequenzen.
Last but not least müssen die über Unity befeuerte Kulisse und das Leveldesign gelobt werden: Das Taktieren in den wunderschön illustrierten Arealen macht auch deshalb so viel Spaß, weil man die Kamera frei drehen und zoomen kann sowie viele Interaktionen von der herunter getretenen Leiter über das Versteck in einem Gebäude bis hin zum Felsen zur Verfügung hat, den man mal eben auf drei Wachen krachen lässt; auch Dynamit kann helfen.
Zwar wirkt es manchmal unlogisch, dass die Helden nicht über Zäune klettern können, aber dafür überzeugt z.B. das Untertauchen in zivilen Zonen mit etwas Assasin’s-Creed-Flair, außerdem kann man jetzt auch in Gebäuden taktieren bzw. diese infiltrieren. Die Siedlungen wirken angenehm belebt, die Leute unterhalten sich oder arbeiten, während man sein nächstes Opfer sucht. Nach Abschluss einer Mission gibt es eine Statistik mit Trophäen, außerdem kann man sich anzeigen lassen, welche Route man eingeschlagen hat. Ob man Feinde tötet oder bewusstlos schlägt und Kills meidet, hat nur statistische Auswirkungen.