Vezögerter Abschluss
Gut ein Jahrzehnt nach Funcoms The Longest Journey: Dreamfall wird die geheimnisvolle Geschichte um Zoë Castillo endlich in einem dritten Spiel fortgeführt. Bereits im Vorgänger wandelte sie zwischen bizarren Traumwelten und auch diesmal versucht sie, den Hintergründen ihrer wundersamen Begabung auf den Grund zu gehen. Was steckt hinter den symbolhaften Träumen? Wie hängen die Welten zusammen? Welche Rolle spielt die Firma WATIcorp, welche mit ihren „Dream Machine“-Headsets massenhaft hängen gebliebene „Traum-Junkies“ auf einen niemals endenden Horror-Trip schickt? Beim Versuch, mit ihrem Lebensgefährten Reza ein neues Leben im Distrikt Propast zu beginnen, kommt Zoë als Wahlkämpferin schnell in Konflikt mit kriminellen Hintermännern und dubiosen Finanzierungsmethoden diverser Parteien. In der mit eiserner Polizeigewalt kontrollierten Gesellschaft brodelt es auf zahlreichen Ebenen.
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Zwischendurch wechselt die Handlung immer wieder in eine altertümliche Parallelwelt im Fantasy-Stil. In der Hauptstadt Marcuria schlüpft man in die Haut des gebrochenen Kriegers Kian Alvane, der nach und nach von den Gräueltaten seines Regimes gegen die unterdrückten magischen Kreaturen erfährt. Daher lässt er sich breitschlagen, mit der Rebellion gegen die Besatzer von seinem Volk der Azadi zu kämpfen. Man ist regelmäßig in Zoes Traumwelt unterwegs, um verirrte Seelen zu retten oder die verschwurbelten Weisheiten der übersinnlichen Kreaturen zu deuten. Einige Hintergründe zur Geschichte und den Feinheiten der Spielmechanik findet ihr in den Episoden-Tests für den PC. Auch für den Spielrechner ist mittlerweile übrigens ein Komplettpaket aller Episoden erhältlich.
Vielfältige Graustufen
Ein Vorteil dieser Wechsel ist die Vielschichtigkeit der Welt. Je länger man sich mit Parteispendern, Kriminellen, Konglomeratsangehörigen oder Rezas Redakteurs-Kollegen unterhält, desto klarer wird, dass in dieser Welt beinahe jeder bei bestimmten Themen Dreck am Stecken hat – oder sich zumindest in manchen Lebensbereichen mit moralischen Kompromissen arrangiert. Hier gibt es kein schwarz oder weiß; keine einfachen Entscheidungen. Das zeigt sich vor allem in Dialogen, in denen die Entwickler fast nie wertend eingreifen. Sind es nur zwei unterschiedliche Übel, aus denen man sich das vermeintlich kleinere herauspickt? Verrät man den erkannten Spion unter den Rebellen oder hält man ihn hin und hört sich später unter vier Augen seine Beweggründe an? Oder lässt man vorsichtshalber von vornherein keine verdächtige Stimmung aufkommen, um ihn später besser unterstützen zu können?
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Ständig gibt es vielschichtige Dialogverläufe. Die wirken sich zwar nur bedingt auf die Haupthandlung aus, allerdings stärker, als ich es z.B. in Telltales Batman-Spiel oder jüngst in Syberia 3 erlebt habe. Mitunter verlaufen die Abzweigungen deutlich anders. Sagt Zoë sich z.B. trotz Gedächtnisschwund von verräterischen alten Bekannten los, arbeitet sie später in einer heruntergekommenen Roboter-Werkstatt. Im Rahmen einiger Tests muss sie dann mit dem depressiven „Scheißbot“ Gassi gehen – der die sonst eher träge, nachdenkliche Grundstimmung mit lustigen Dialogen auflockert.
Wurden die technischen Macken ausgemerzt?
Auf dem PC merkte man dem durch Crowdfunding unterstützten Spiel deutlich an, dass es unter seiner turbulenten Entwicklungsgeschichte litt. Es kam zu einem ganzen Wust technischer Fehler, Soundstottern und dergleichen. Nach viel Polierarbeit sowie dem Engine-Umstieg auf Unity 5 verspricht der norwegische Entwickler Red Thread Games allerdings, dass die Komplettfassung viel runder laufen und von Details wie verbesserten Charaktermodellen und Animationen profitieren soll. Das Endergebnis wirkte in unserem Test allerdings nur halbgar. Die gröbsten Bugs wurden glücklicherweise ausgemerzt: So kann man etwa in Propast nicht mehr einfach durch Lücken in der Wand schlüpfen, um frei außerhalb der „Karte“ herumzuspazieren. Auch der abzufangende Laufbursche der Assadi legt keinen von wildem Stottern begleiteten Moonwalk mehr aufs Parkett. Abstürze sind uns auf den Konsolen ebenfalls nicht untergekommen.
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Viele kleine Mankos sind aber nach wie vor vorhanden und lassen das Spiel ungeschliffen erscheinen. Auf Standbildern wirkt die futuristische bzw. magische Welt durchaus detailreich und stimmungsvoll, in Bewegung allerdings ziemlich hölzern. Die meisten Figuren staksen reichlich steif durch die Kulisse. Oft bewegen sie nicht einmal ihre Lippen synchron zur deutschen Synchronisation, die übrigens um einiges schlechter betont klingt als die englische Fassung. Noch mehr aus der Stimmung reißen die massiven Clipping-Fehler, durch die man beinahe komplett mit Figuren wie der Anführerin des Aufstands verschmelzen kann. Auf den Wecker geht auch die dutzendfache Wiederholung ewig gleicher Phrasen. Als jemand im Hintergrund zum zehnten Mal „Bringt mir den gottverdammten Schlüssel!“ schrie, ist Kollege Mathias schließlich völlig entnervt aus dem Konsolenbüro geflohen. Oft klingt es sogar so, als würde er einem direkt über die Schulter kreischen – selbst wenn man dutzende Meter von ihm entfernt steht. Eine räumliche Abmischung hat man sich hier weitgehend gespart.