Veröffentlicht inTests

Call of Duty: Modern Warfare 2(2009) (Shooter) – Call of Duty: Modern Warfare 2 (2009)

Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren veröffentlichten Infinity Ward und Activision einen Shooter, der in mehr als nur einer Hinsicht über Nacht Maßstäbe setzte: Call of Duty – Modern Warfare. Weg vom Zweiten Weltkrieg, weg von den üblich verdächtigen Schlachtfeldern, weg mit den alten Zöpfen, welche die ruhmreiche Serie nicht mehr schmückten, sondern sie zum Stolpern brachten. Ein Kracher, mit dessen Wucht keiner rechnen konnte. Ein Kracher, dessen Stiefel nur schwer von einem Nachfolger zu füllen sind?

© Infinity Ward / Activision

Oorah! Oorah! Oorah!

Modern Warfare 2 erscheint für PC, 360 und PS3. Die PC-Version benötigt zum Start allerdings zwingend einen aktiven Steam-Account.

 Als Prolog eine kleine Anekdote aus meiner näheren Vergangenheit: Ich war gerade in den USA im Urlaub, musste dazu über Atlanta einreisen und mich als offizieller Besucher ausweisen, der keine Absicht hat, ein Kind oder eine Wassermelone zu entführen. Wie auch immer, während meine Frau und ich also geduldig unsere Finger auf den Scanner pressten und möglichst unterroristisch in die Kamera lächelten, näherte sich von weiter hinten ein Trupp Soldaten, der gerade aus Afghanistan oder Irak zurückkehrte. Es müssen Hunderte gewesen sein, denn der Strom tarnfarbener Menschen blieb über mehrere Minuten ununterbrochen. Ebenso wie der gigantische Applaus, die anfeuernden Rufe und  das Johlen, das von Seiten der ebenfalls wartenden amerikanischen Passagiere zu ihnen herüber schallte. Die Soldaten freuten sich, winkten, hoben siegreich die Fäuste – und wir sahen uns verwundert an: Würde so ein Spektakel jemals bei uns passieren, wenn ein Trupp Bundis vorbei geschneit käme? Wohl kaum. Die Heldenverehrung, die Anerkennung militärischer Stärke, die Bewunderung der Bereitschaft, sein Leben dem Land zu opfern (aus welchen Gründen auch immer) ist in den USA selbstverständlich.

Die Storyführung wirkt am Anfang plump und übertrieben patriotisch, entfaltet im Spielverlauf aber überraschende Wendungen – und plötzlich ergibt auch all die Dampfplauderei einen Sinn!

Dieses Wissen sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man Call of Duty: Modern Warfare 2 (MW2) startet, denn Entwickler Infinity Ward kitzelt von der ersten Sekunde an scheinbar an der moralischen Toleranz: Da wird allen Ernstes mit militärischem Zack in der Stimme etwas wie »Wir sind die mächtigste Militärmacht in der Geschichte der Menschheit. Jeder Kampf gehört uns!« schwadroniert, da wird die Patriotismus-Keule offensichtlich derart primitiv geschwungen, dass es für manche genug sein kann, angewidert den Raum zu verlassen – und das war nur das Intro. »Scheinbar« und »offensichtlich« haben hier aber schon ihren Sinn, denn es steckt weitaus mehr erzählerische Eleganz in dem Spiel, als man im ersten Moment vermuten möchte. Im Laufe der Zeit wächst auf einmal ein doppelter Story-Boden heran, spätestens im letzten der drei Kapitel gewinnt die Erzählung deutlich an Fahrt und Substanz – und auf ein Mal ergibt all die heiße Luft, all das nationalistische Schwadronieren einen Sinn! Wir werden hier natürlich nichts spoilern, aber so viel sei gesagt: MW2 wird kaum einen Literaturpreis gewinnen – aber wer seine Freude an Romanen von Tom Clancy, John Grisham oder Robert Ludlum hat, der wird sich auch hier während des Abspanns zufrieden zurücklehnen. Das Spiel, das fünf Jahre nach den Geschehnissen des Erstlings in einer Alternativrealität spielt, in der die USA und Russland Krieg führen,  ist nicht ganz so Schwarz-Weiß gestrickt, wie man am Anfang denken könnte.

Moralisches Dilemma?

[GUI_FLVPLAYER(width=300,height=188,STREAMINGID=45123,image=http://static.4players.de/premium/ContentImage/46/ac/143218-bild.jpg)]
Video: Die ersten zehn Spielminuten.
Der Spielbeginn ist typisch für Call of Duty: Zuerst ein simples Tutorial (in dem man dieses Mal keinen Anfänger spielt, sondern stattdessen frischen Rekruten ein paar Tricks wie Hinlegen und Abdrücken zeigen muss), gefolgt von einem Hindernisparcours, der einem nach Abschluss einen Schwierigkeitsgrad vorschlägt. Dieses Angebot kann man natürlich ignorieren; falls man die anfängliche Entscheidung im Laufe des Spiels bereut, kann man den Herausforderungsgrad auch jederzeit wechseln. Was sich ebenfalls nicht geändert hat, ist der Sprung zwischen verschiedenen Protagonisten. Dieses Mal schlüpft man in die Haut von drei Soldaten, zwischen deren Einsätzen man immer wieder wechselt. Moment, das muss korrigiert werden: Für eine Mission übernimmt man die Polygonhülle eines vierten Kämpfers, der als Undercover-Agent einen russischen Terror-Ring unterwandert – und der damit zum Helden der kontroversesten Mission des Spiels wird.