Die ersten Hinweise auf die ehemalige Crew liegen direkt vor den Füßen meiner Protagonistin. Hier und da findet sich immer mal wieder eine ausgeblichene Tagebuchseite oder Notizzettel auf dem Boden, welche von einem Streit zwischen Crew-Mitgliedern, Medikationseinheiten und seltsamen Ereignissen auf dem Schiff berichten. Auch als ich mich ans Steuerrad vorgeknobelt habe, weiß ich immer noch nicht, wo ich mich befinde, da der Kompass und andere Instrumente verrückt spielen. Auch die Kamera weiß nicht so recht, aus welcher Perspektive sie das Geschehen einfangen soll und wandert dementsprechend nervös durch den Raum. Vielleicht wollten die Entwickler das Gefühl die Enge auf dem kleinen Schiff verdeutlichen, trotzdem wäre hier weniger mehr gewesen. Manchmal werden sogar wichtige Gegenstände erst dann sichtbar, wenn man im Raum herumwandert. Nachdem ich mir die wenigen Räume eingeprägt hatte, hat mich der Mangel an Übersicht aber kaum noch gestört.
Geradezu verstörend fällt dagegen die Kameraregie in den Zwischensequenzen aus. Die Schockmomente schlagen immer genau dann zu, wenn ich wieder einmal gedankenverloren durch einen Korridor spatziere und z.B. darüber nachgrüble, mit welchen notdürftig zusammengesteckten Werzeugen ich die Kran-Mechanik in der Messe reparieren könnte. Urplötzlich ertönt ein fieses Quietschen und die Kamera zoomt an Anna vorbei – hinter ihr ein dreckig grinsender Matrose. Eine Zehntelsekunde später ist er wieder verschwunden. Es sind immer nur kurze Momente, welche mich zusammenzucken lassen und Anna unsicherer machen, doch genau dieser spärliche pointierte Einsatz macht das Abenteuer so schön schaurig.
Szenenwechsel
Ein wenig später verliert sie sogar komplett das Bewusstsein und das Bild färbt sich langsam weiß. Als es wieder dunkler wird, steuere ich plötzlich eines kleines, blondes Mädchen. Alles wirkt größer und die Kamera huscht nicht mehr so hektisch an der Decke entlang. Doch auch sie scheint sich auf dem gleichen Schiff zu befinden,
auf der Flucht vor einem nicht sonderlich Vertrauen erweckenden Mann im weißen Kittel. Da Fiona weder lesen noch sonderlich viel Muskelkraft aufbringen kann, muss ich versuchen, meine Verfolger mit Tricks abzulenken.
Sie wirkt mindestens genau so lebendig wie Lex und Anna: Lasse ich sie einfach stehen, wandert ihr Blick unsicher im Raum umher. Noch überzeugender wird ihr Auftritt durch die erstaunlich gut gelungene Synchronisation von Luisa Wietzorek. Trotz ihrer 24 Jahre hat sie sich offenbar ihr inneres Kind bewahrt oder kann sich unheimlich gut in die frühe Jugend zurückversetzen. Sämtliche Sätze kommen ihr derart flüssig über die Lippen, als seien sie ihr spontan eingefallen. In der deutschen Fassung des Kinofilms Speed Racer hat sie übrigens dem Jungen Spritle ihre Stimme verliehen. Auch die übrigen Routiniers wie Tilo Schmitz oder Natascha Geisler machen einen guten Job. Vielleicht lag es daran, dass die Anzahl der Mono- und Dialogzeilen deutlich überschaubarer ausfällt als in längeren Spielen und die Sprecher entsprechend mehr Zeit zum Einsprechen zur Verfügung hatten. In Black Sails kann man übrigens nicht wie es einem gefällt zwischen mehreren Charakteren wechseln wie z.B. in Ceville. Auch davon abgesehen gibt es keine frische Ideen im Rätseldesign. Die Kopfnüsse fallen alle sehr logisch aus, beschränken sich aber allesamt auf konservative Bastelaufgaben, wie man sie aus vielen anderen Genrevertretern kennt.