Veröffentlicht inTests

Bastion (Rollenspiel) – Bastion

Ein namenloser Held, eine handgezeichnete idyllische Welt am Abgrund und ein Erzähler, der beinahe jede Aktion kommentiert: Das sind die Zutaten von Bastion, dem Erstlingswerk von Supergiant Games. Das clevere Action-Rollenspiel beweist, dass große Ambitionen und kleine Entwicklungsteams keinen Widerspruch darstellen.

© Supergiant Games / Warner Bros.

Nervfaktor?

Ihr kennt sie wahrscheinlich: Die Kinobesucher, die jede Situation, die sich auf der Leinwand abspielt, kommentieren müssen. Im Bestfall geben sie nur vollkommen störende Kommentare ab, im schlimmsten Fall spoilern sie die Szene, weil sie den Film schon kennen. Mir jedenfalls geht diese Zuschauer-Gruppe gewaltig auf den Geist.

[GUI_PLAYER(ID=74798,width=375,text=Bastion präsentiert sich als erzählerisch starkes Abenteuer mit dynamischen Kämpfen.,align=right)]Dass in Bastion nahezu alles, was ich mit meinem Helden anstelle, von einem Erzähler begleitet und kommentiert wird, stört mich jedoch gar nicht. Ganz im Gegenteil. Es beginnt bei den ersten Schritten, in denen er mir von einer Katastrophe berichtet, dank der die Fantasy-Welt, in der ich mich bewege, in mehrere schwebende Plattformen zerbrochen ist. Es geht weiter bei der Aufnahme meiner ersten Waffe, einem Hammer, der nach seiner Aussage zu einem guten Freund werden könnte. Und es endet erst bei Anmerkungen, wenn ich mal nichts tue („Kid needs a break“) oder wie wild alles Mögliche mit dem Hammer zerkleinere („Kid has too much energy“). Gleichermaßen erklärt mir die Stimme, was es mit den Feinden oder der Hand voll freundlich gesinnter Charaktere auf sich hat, sagt mir, was sie von meiner Waffenauswahl hält usw.

Dieser Kniff ist erzähltechnisch wunderbar gelungen und erinnert an den klassischen Film Noir. Allerdings geht man hier noch weiter: Während im Film Noir meistens der Hauptdarsteller vergangene Ereignisse Revue passieren lässt, bleibt der Märchenonkel hier in der Gegenwart und vermittelt dadurch einen beinahe allwissenden Eindruck, der außerdem eine gewisse (vollkommen wertfreie) Ausweglosigkeit beinhaltet. Der Pfad, den der namenlose Held beschreitet, scheint von einer höheren Macht (oder dem Erzähler?) festgelegt. Selbst den Entscheidungen, die man schließlich fällen muss, liegt kein moralisches „Gut-Böse-Prinzip“ zugrunde, obwohl sie zum Nachdenken anregen.
Zudem bleibt er kein Unbekannter: Hinter der Stimme verbirgt sich ein alter Mann, der die Namen gebende Bastion gebaut hat, die allerdings auch von der Katastrophe in Mitleidenschaft gezogen wurde und die der Held erst wieder renovieren muss, bevor sie ihren Zweck erfüllen kann, der sich natürlich auch erst im Laufe der Geschichte erschließt.

Der einzige Wermutstropfen bei dieser Erzählstruktur ist, dass es nur englische Sprachausgabe gibt. Die wird von dem mir unbekannten Logan Cunningham zwar emotional voll auf den Punkt gebracht, während sie auch kleinste Nuancen von z.B. Melancholie, Euphorie oder Sarkasmus wunderbar widerspiegelt. Die größtenteils guten deutschen Texte tun ihr Möglichstes, um Spielern mit weniger ausgefeilten Fremdsprachen-Kenntnissen die erstaunlich ausgefeilte Geschichte zu vermitteln, deren Tragweite sich tatsächlich erst im Laufe der gut zwölf bis 15 Stunden Spielzeit erschließt.
Doch wenn ich jetzt überlege, dass auch markante deutsche Sprecher wie Sky Dumont oder Martin Keßler in der Lage wären, diese Emotionen glaubhaft zu vermitteln, ist es schade, dass Warner Bros. keine Komplettlokalisierung in Auftrag gegeben hat.

Kriegsnebel mal anders

Das Artdesign trotzt mit seinen farbenfrohen Iso-Kulissen der melancholischen Grundstimmung.

Das Artdesign trotzt mit seinen farbenfrohen Iso-Kulissen der melancholischen Grundstimmung.

Die Erzählstruktur ist aber nicht die einzige Überraschung, die einen erwartet. Auch das Artdesign ist sehenswert. Dabei ist es nicht der isometrische Comic-Look mit seinen handgezeichneten Abschnitten, sondern vor allem die Art und Weise, wie die abwechslungsreichen, meist farbenfrohen Gebiete um einen herum aufgebaut werden.  Mit jedem Schritt in unbekanntes Terrain schießen Landschaftsteile und andere Versatzstücke von unten nach oben und bauen sich unter den Füßen  zusammen.
Auch hier gilt: Die Idee ist einfach, die Umsetzung außerordentlich gut gelungen. Zusammen mit dem Kommentar hat man das Gefühl, das man aktiv an der Geschichte und dem (Wieder-)Aufbau der Welt teilnimmt.
Da aber Strukturen sowohl in der Erzählung als auch innerhalb der linearen Abschnitte unabänderlich sind, sprießt irgendwann die Erkenntnis, dass man die Erzählung nicht aktiv beeinflusst, sondern der Held nur seinem Schicksal folgt, das fremdbestimmt scheint. Man schreibt das Buch nicht selber, sondern wird lesend in einen Strudel der Ereignisse gesogen. Steckt hinter dem alten Mann vielleicht doch mehr, als man anfänglich vermuten möchte?  


  1. Einfach ein großartiges Spiel. Ich liebe die melancholische Atmosphäre und die western/noir-artigen Monologe des Sprechers, welche das Spiel mal eben im Alleingang in Gefilde hebt welche auch dem reiferen Publikum gefallen könnte. Einfach jeden Cent wert.
    Leider ist es manchmal schwer in Gefechten den subtitles zu folgen, da gehen leider einige Kommentare bei verloren.

  2. Stellenweise ist es ganz ordentlich. Aber mit der richtigen Kombination aus Destillaten und Waffen wird es vor allem gegen Ende sehr leicht. Von daher ist das Götzensystem eine sehr gute Sache.
    Zu den Götzen sei erwähnt das man durch die auswahl derjenigen nicht nur +Schaden/Leben bei den Gegnern bewirkt, vielmehr verleiht jeder Götze allen Gegnern bestimmte eigenschafften. Z.B. reflektieren sie hin und wieder Schaden, lassen Bomben beim ableben fallen die dann nach kurzer Zeit explodieren oder heilen sich.
    Hatte es mir bei der Steam Aktion für 7 Euro gekauft, würde aber auch nochmal 15 dafür ausgeben. Sehr gutes Spiel.

  3. Das Spiel ist sicher großartig, hat eine schöne Atmosphäre und viele Ideen.
    Bin ich allerdings der einzige, der es bereits im Normalzustand (ohne aktivierte Götzen) durchaus..ähem...herausfordernd findet? OK, ich bin nicht gerade der Messi aller Joypads, aber zu einfach - wie 4players mal wieder schreiben muss - ist es definitiv nicht.

Hinterlassen Sie bitte einen Kommentar.

Seite 1