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Autobahnpolizei Simulator 2 (Simulation) – Schlimmer als die Polizei erlaubt

Deutschland ist Simulator-Land: Im Fahrwasser von erfolgreichen Landwirtschafts- und LKW-Simulationen kommen auch deutsche Verkehrspolizisten zu ihrem Videospiel-Einsatz. Wie aufregend und unterhaltsam die virtuelle Dienstlaufbahn ist, verrät der Test.

© z-software / Aerosoft

PS2-Beamte

 

Schon bei der initialen Charaktererstellung und dem Dienstantritt im örtlichen Polizeibüro bahnt sich ein technisches Debakel an: Die grafische Gestaltung der Figuren, Räumlichkeiten und Landschaften dümpelt irgendwo zwischen zeitgenössischer PS2-Optik, Second Life und einer alten Counter-Strike-Karte (Office vielleicht?) umher. Den Vogel schießen dann früh die ersten Gespräche mit dem Vorgesetzten ab: Die Dialoge wirken wie vom Hausmeister vertont, die Gesichtsanimationen sind ein Graus. Das über zwanzig Jahre alte Shenmue sah in dieser Hinsicht deutlich besser aus! Nachdem mir noch ein stocksteif animierter Kollege zur Seite gestellt wurde (der in den kommenden Spielstunden Tag und Nacht treudoof neben dem Dienstwagen verharren wird), geht er los – der Alltag als Autobahn-Polizist.

 

Mal hole ich den nächsten Auftrag im Chefzimmer, mal ein Stockwerk tiefer beim Pförtner-Polizisten ab, mal kommen die Aufträge während der Fahrt per Funk rein. Ein LKW hat einen Brückenpfeiler gerammt und seine halbe Fracht auf der Autobahn verteilt? Das übernehmen mein stoischer Kollege und ich doch gerne! Mit dem Dienstwagen und aktivierbarer Blaulicht-Sirene-Kombi geht es auf die Autobahn. Blöd nur, dass der normale Verkehr sich einen feuchten Kehricht um die Polizei im Einsatz schert und fast nie Platz macht. Blöd auch, wenn man am Ort des Unfalls angekommen, merkt, dass es auf der Gegenfahrbahn passiert ist. Also drei Kilometer weiter fahren und via Unterführung die Strecke zurück! Bis ich schließlich am Unfallschauplatz ankomme, sind knapp zehn ereignislose Minuten vergangen.

 

Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!

 

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Die Gesichter sehen im Standbild schlimm aus, in Bewegung werden sie zur Lachnummer. © 4P/Screenshot

Dafür gibt es endlich die Belohnung: peinliche Dialoge mit dem Kollegen und den Unfallbeteiligten. Außerdem darf ich mal Warnkegel aufstellen (verbunden mit einer köstlichen Animation, die an Kniebeugen erinnert), mal auf dem Asphalt verteilte Fracht sammeln, mal die beteiligten Fahrzeuge fotografieren, eine Unfallskizze erstellen (schlecht erklärt) und natürlich die Daten des Verursachers aufnehmen. Haben Sie Alkohol getrunken? Warum wollten Sie nicht, dass man die Polizei ruft? Sogar zu einer kleinen Actioneinlage samt Quick-Time-Event kann es während der Multiple-Choice-Dialoge kommen. Meist sind die roboterhaft mit dem Mund schnappenden Unfallfahrer aber reumütig und geben die eigenen Fehler zu.

 

Via Matrix-Anzeige auf dem Autodach kann man auch spontan im fließenden Verkehr einen LKW- oder PKW-Fahrer zur Kontrolle bitten. Wenn der oder die Auserwählte keine Lust auf einen Polizei-Check hat, wird es drollig: Nach einer hampeligen Verfolgungsjagd kann man den Strolch sogar festnehmen und im hauseigenen Polizeikittchen abliefern. Betritt man dann auf der Wache später den Zellentrakt, wo der Aufgegriffene seine Strafe absitzt, kann man einfach die Türe öffnen und ihm Gesellschaft leisten – nur eine der vielen Stellen und Situationen, wo die Entwickler ihr Spiel nicht zu Ende gedacht haben.

 

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Muss auch jemand machen: Wenn man ein Fahrzeug kontrolliert, wollen die Daten im Fahrzeugschein mit der Realität abgeglichen werden. © 4P/Screenshot

Doch zurück zu den Kontrollen: Ähnlich wie im grandiosen Grenzkontroll-Drama Papers, Please vergleicht man die Daten auf Führerschein und Fahrzeugpapieren mit den realen Gegebenheiten, gleicht Gesichter und Nummernschilder ab. In diesen Situationen macht der Autobahnpolizei Simulator 2 noch am meisten Laune. Zusätzlich kann man minutenlang die Profiltiefe der Reifen prüfen (ein LKW hat viele davon), die Ladung checken oder den Fahrer einem Alkohol- sowie Drogentest unterziehen. Am Ende heißt es dann: Weiterfahren lassen? Einbuchten? Ein Bußgeld verteilen oder eine Verwarnung aussprechen? Nicht erkannte Verstöße bedeuten Abzüge bei den ohnehin schon mageren Punkten, die solche Routinearbeiten einbringen. Weil auch die größeren Einsätze nur 1.000 oder 2.000 Punkte bescheren, zieht sich das Punkte-Farmen, bis man sich die teuren Upgrades in der Polizeistation leisten kann. Von zusätzlichen Räumen im Keller (Archiv, Asservatenkammer), die aber keinen spielerischen Mehrwehrt besitzen, bis hin zur Geschwindigkeit des Dienstautos oder das Freischalten eines Zivilfahrzeugs gibt es nämlich reichlich Möglichkeiten, die eigene Ausrüstung zu pimpen. Wenn das alles nur nicht so teuer wäre!