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Seilrutschen mit entsprechenden Meuchelmord-Möglichkeiten gibt es in Konstantinopel genug. |
Apropos Stilmittel aufgreifen und schlüssig fortführen: Natürlich erfindet man das Assassinenrad nicht neu, sondern baut in der Kampagne auf dem auf, was in den drei bisherigen Teilen etabliert wurde. Die Kämpfe sind dynamisch wie eh und je, wurden aber mit neuen Finishern härter als bisher in Szene gesetzt..
Zwar wurde der Schauplatz von Ezios Suche nach den Relikten Altairs in eine neue Ära (das frühe 16. Jahrhundert) und an einen neuen Schauplatz (Konstatinopel/das heutige Istanbul) verlegt, doch viele Elemente kennt man aus Rom, Florenz oder Masyaf, einem Schauplatz des ersten Teiles. Das Erobern von Stadtvierteln und das Errichten von Geschäften beispielsweise, die den Einfluss erhöhen und gleichzeitig einen steten Geldstorm sicherstellen. Allerdings hat man das um ein kleines, aber feines Detail erweitert: Rückt man das erste Mal in ein von Templern kontrolliertes Gebiet vor, ist der Anführer noch gänzlich unbekannt und muss erst einmal entdeckt werden (zur Erinnerung: in Brotherhood wurde der Chef sofort markiert). Durch diesen Kniff kommt zusätzliche Spannung auf. Denn während man den „Adlerblick“ aktiviert, sieht man nicht, ob andere Wachen auf einen aufmerksam geworden sind bzw. wie weit ihr Verdacht reicht.
Auch dass man Fraktionen wie Söldner, Diebe, Romani (ersetzen die Kurtisanen aus Brotherhood) gezielt durch den Kauf von Häusern unterstützen und schließlich Vorteile durch das Erfüllen von bestimmten mit ihnen zusammenhängenden Missionen erlangen kann, kennt man aus Rom.
Die optionalen Sekundärziele (z.B. „Werde nicht entdeckt“ oder „Töte dein Opfer aus einem Versteck“), die nur hinsichtlich der einhundertprozentigen Synchronität eine Rolle spielen, sind auch keine Neuerung, erfüllen ihren Zweck aber ebenso gut wie im Vorgänger. Auch viele andere Elemente und Stilmittel feiern eine Rückkehr. Und dennoch schafft es ACR, alles noch runder und harmonischer zusammenzufügen. Wie in den bisherigen Teilen gelingt der Spagat zwischen dem Aufgreifen bekannter Mechaniken und dem sinnvollen Verfeinern und Ergänzen, so dass sich ein runderes Spielgefühl ergibt. Dass die VR-Missionen des letzten Teiles mittlerweile wieder der Schere zum Opfer gefallen sind, bedauere ich allerdings.
Nathan Drake lässt grüßen
Den größten mechanischen Sprung haben die Zisternen gemacht. Die fristeten in Teil 2 ein Schicksal als deplatziert wirkende Sprungherausforderungen und wurden mit Brotherhood zu einem Bestandteil der Geschichte – ohne jedoch spielerisch von der „Oberwelt“ abzuweichen oder sonstige Glanzpunkte setzen zu können. Aber erst mit den Fortschritten in Revelations werden sie zu einem Element, das ich in dieser Form nicht mehr missen möchte – wobei Ubisoft auch hier wieder weit entfernt davon ist, etwas neu zu machen.
Doch die deutlich von Uncharted inspirierten Klettersequenzen machen einiges her: Gut geskriptet, mit bislang im AC-Universum unbekannten Kamerafahrten, dramatischen Beinahe-Abstürzen von Ezio und hinter ihm zusammenstürzenden Strukturen lässt man keinen Zweifel, wer das Vorbild ist – und man kommt der Inszenierung der Drake’schen Ausflüge verdammt nahe.
Zumindest so nahe, dass ich mir wünschen würde, dass auch in der „normalen“ Welt Ezios seine nach wie vor auf Schienen laufenden und nur selten fordernden Kletter-Eskapaden gelegentlich durch geskriptete Sequenzen aufgelockert würden.
Dass sich Revelations nach wie vor frisch spielt, liegt auch an den neuen Elementen, die Einzug halten. Da wäre z.B. die Haken-Klinge, die die (zu) mächtige Doppelklinge ersetzt und mit der man auch unkompliziert an den überall auf den Dächern zu findenden Seilen entlang gleiten kann – eindrucksvolle Meuchelmorde an Dachwachen inklusive!
Bombenstimmung
Es geht jedoch noch subtiler: Man kann auch nur auf einen „Knalleffekt“ setzen, der alle Wachen in Reichweite anlockt. Oder man füllt das Gehäuse mit einer übelriechenden Substanz, um so die Mutter aller Stinkbomben zu werfen. Auch die Möglichkeit, mit Lammblut gefüllte Granaten auf die Gegner zu werfen, die durch das Blut an eine eigene Verletzung glauben und dementsprechend irritiert und verstört agieren, ist eine interessante Variante.
Schön ist, dass die Erledigung der abwechslungsreichen Mordaufträge durch den Einsatz der Granaten eine neue Dimension der Taktik erfährt. Weniger schön ist allerdings, dass man nur in wenigen Ausnahmesituationen (vorrangig hinsichtlich der Sekundärziele) überhaupt die Not hat, diese konzeptionell interessante Erweiterung der Spielmechanik zu nutzen. Ich gehe sogar so weit, dass man es bis auf die „Bombeneinführungs“-Mission schaffen kann, ganz ohne Granateneinsatz zum Ziel zu kommen. Das spricht zwar für die offene Struktur, die Assassin’s Creed auch innerhalb der Missionen pflegt, lässt die gesamte Bombenthematik aber vollkommen unnötig oberflächlich erscheinen.