Veröffentlicht inTests

Assassin’s Creed Mirage (Action-Adventure) – Ein klassisches Assassinen-Abenteuer – aber für wen genau?

Assassin’s Creed Mirage hatte es seit der Ankündigung gar nicht leicht, denn es ist halt irgendwie der Serienteil zwischen den beiden großen Ablegern Valhalla und Red – was Ubisoft auch indirekt stets so kommunizierte. Mirage ist kleiner, bietet weniger Umfang und soll in erster Linie die Spieler zufriedenstellen, die nach dem „alten“ Assassin’s Creed verlangten. Es soll weniger Action-Rollenspiel, stattdessen wieder mehr Action-Adventure mit Stealth- und Assassinen-Fokus sein. Im Kern also eine Art frische Interpretation des ersten Abenteuers von 2007, als man noch mit Altair über Dächer sprang und fiesen Templern die versteckte Klinge in den Körper rammte. Die Frage die sich dabei zwangsläufig stellt: Funktioniert das 2023 noch? Wir haben uns für euch mit Basim nach Bagdad begeben und uns zwischen wohliger Nostalgie und abgekratztem Lack wiedergefunden.

© Ubisoft Bordeaux / Ubisoft

Schleichen ist König

Am stärksten zeigt sich Ubisofts „Zurück zu den Wurzeln“-Motto aber im Kerngameplay, welches mich endlich, endlich wieder zum Assassinen werden lässt. Statt als griechischer Söldner oder Wikinger den Weg des

[GUI_STATICIMAGE(setid=92708,id=92658092)]
Ist hin und wieder Pflicht: Das Belauschen von einzelnen Gruppen. © 4P/Screenshot

geringsten Widerstands zu gehen, also meistens die Option „Auf die Fresse“ zu wählen, steht hier ganz klar Stealth im Vordergrund. Ja, theoretisch kann man immer noch brachial vorgehen, einfache und starke Schläge kombinieren und bei größeren Feinden die Schwachstelle suchen, allerdings hält Basim in der direkten Konfrontation deutlich weniger aus. Schon wenige direkte Treffer reichen, um den jungen Assassinen ins Jenseits zu befördern. Dazu muss es aber nicht kommen, denn mit minimalen Geschick und einem Tastendruck lassen sich die wenigen Angriffsmuster parieren, gefolgt von einem Konter, der oftmals den sofortigen Tod des Feindes bedeutet – da kann man auch schon einmal eine ganze Garnison erledigen, ohne, dass man ins Schwitzen gerät. Allzu viel Spaß macht das allerdings nicht, zudem es keine besonderen Belohnungen gibt.

Stattdessen steht das Schleichen, Auskundschaften, langsame Vorantesten und die möglichst perfekte, weil von niemandem bemerkte Exekution im Vordergrund. Im Vergleich zu Eivor ist Basim deutlich geschickter im Umgang mit der versteckten Klinge und muss gar nicht erst ein Quick-Time-Event abhalten, um die Lebenspunkte des Feindes umgehend auf 0 zu drücken. Außerdem nutzt Basim nur etwas mehr als eine Handvoll Tools, um seinen Job ein wenig zu vereinfachen: Per Wurfmesser lassen sich Feinde auch aus der Ferne erledigen, während die Rauchbombe wie schon einst ein absoluter Game-Breaker ist. Wirft man sie einmal zu Boden, kann man danach problemlos alle Feinde im Rauch per Knopfdruck erledigen – manchmal kann das Assassinen-Leben so simpel sein! Darüber hinaus können die Hilfsmittel mithilfe von erbeuteten Materialien verbessert werden, wodurch ich zum Beispiel die Dauer des Schlafpfeils merklich verlängern oder den Effekt der Rauchbombe um ein vielfaches

[GUI_STATICIMAGE(setid=92708,id=92658093)]
Die wenigen Tools können sinnvoll verbessert werden. © 4P/Screenshot

vergrößern kann. Nach und nach wandelt man sich durch die Verbesserungen zu einem meisterhaften Assassinen, auch wenn die Upgrades nicht zwingend notwendig für den Fortschritt sind. Wer will, kann auch mit der nach dem Intro bereitgestellten Ausrüstung inklusive der Waffen alle Aufgaben erledigen, ohne stark benachteiligt zu sein.

Und ja, Mirage macht beim Schleichen wie auch in all seinen anderen Aspekten nichts neues oder wagt auch nur irgendein Risiko. Alles ist wohlbekannt, man braucht als Serienveteran so gut wie kaum Anlaufzeit. Lediglich bei dem in Origins erstmals eingeführten gefiederten Begleiter zu Luft gibt es eine klitzekleine Neuerung: In manchen Gebieten wird der Vogel sofort ins Kreuzfeuer genommen, weshalb man erst den besagten Bogenschützen ausschalten muss, um danach verschiedene Ziele markieren zu können.

Die Black Box ist wieder da

All das Schleichen und Auskundenschaften dient natürlich einem besonderen Zweck: Den großen Missionen von Assassin’s Creed Mirage, die sich an der Black Box-Struktur von Unity orientieren. Das heißt, ich erhalte ein bestimmtes Auftragsziel und wie ich diese Person erledige, ist ganz mir überlassen. Es gibt in den meisten Fällen mehrere (sprich in der Regel zwei) Möglichkeiten, die ich entweder auf eigene Faust entdecke oder indem ich die Hilfestellungen zu Rate ziehe. So bietet sich etwa an, einen kleinen Söldertrupp zu bezahlen, damit dieser ein paar Wachen ablenkt oder ich belausche ein paar Angestellte, um zu erfahren, dass die Mauer an ein paar Stellen immer noch nicht repariert ist. Na, wenn das nicht mal eine perfekte Gelegenheit ist, um ins Innere vorzudringen und dort die Wachen beim zwischenzeitlichen Wasserlassen zu überraschen.

Die Sandbox, die Mirage einem mit diesen Missionen bietet, erreicht zwar zu keinem Zeitpunkt das Niveau der modernen Hitman-Spiele oder eines Dishonored, ist aber nichtsdestotrotz eine der großen Stärken. Zumindest dann, wenn man eine Festung ungesehen infiltriert, lediglich ganz wenige Feinde ausschaltet, das besagte Auftragsziel erdolcht und wie ein Geist wieder verschwindet. In diesen Momenten besinnen sich die Entwickler

[GUI_STATICIMAGE(setid=92708,id=92658096)]
Für den Animus angeblich zu schnell: Basims Spezialfähigkeit, mit der man mehrere Ziele sofort ausschalten kann. © 4P/Screenshot

darauf, was die Serie für mich immer ausmachte und was im Namen steckt: Sei ein Assassine. Selbst wenn die künstliche Intelligenz nicht gerade zu überzeugen weiß und mancher Personenschützer sogar gerne wegschaut, wenn gerade der Nebenmann unvorsichtigerweise in den Busch gezogen wird.

Ebenfalls ein Stück weit enttäuschend: Die als Nachforschung betitelten Missionen, die mich erst zum großen Auftrag hinführen. Hier passiert es nämlich hin und wieder, dass mich das Spiel in ein enges Korsett zwängt und ich, wenn auch nur ganz selten, bestimmte Personen belauschen und beschatten muss, um an Informationen zu gelangen. Das nervte aufgrund seiner Restriktionen schon in den Vorgängern und ist hier nicht minder langweilig. Immerhin gibt es aber auch ein paar gelungene Nebenmissionen, wie zum Beispiel ein Wettrennen über Bagdads Dächer oder das Lösen eines Bilderrätsels. Nichts, was einen in der heutigen Zeit noch groß hinter dem Ofen hervorlockt, aber dennoch unterhaltsam ist.