Unnötig sperrig
Ja, ja, es war sicher beschwerlich vor zehn Millionen Jahren. Deutlich weniger Annehmlichkeiten damals, vom schlechten DSL-Ausbau ganz zu schweigen. Aber reicht es denn nicht, wenn sich diese Mühen auf den Kampf ums Überleben beschränken und nicht auf den Kampf mit dem Controller? Wenn ein Menschenaffe seinerzeit ein paar Palmwedel oder Kokosnüsse sortierte, dann artete das sicher nicht in ein derart chaotisches Gewurschtel aus wie im Spiel von Désilets neuem Studio Panache Digital. Oft ist es schlicht und einfach Glückssache, wen oder was man anvisiert. Vier, fünf mal die Blickrichtung korrigieren, ein paar Drehungen auf der Stelle – und schon hat man einen Speer auf dem dafür vorgesehenen Stapel abgelegt – sogar ganz ohne sich aus Versehen zu paaren oder einen Sprung von der Klippe zu starten! Sehr intuitiv!
Auch so profane Aktionen wie das Einsammeln Blut stillender Früchte oder das Schwingen durch die Baumwipfel benötigt mehr Übung als wir vermutet hätten. Zudem bleibt auch die digitale Anleitung viel zu vage, selbst wenn man sich vorm Start für die „Einsteiger-Variante“ mit vollem HUD und komplettem Tutorial entscheidet. „Viel Glück, wir werden dir nicht viel helfen“, warnt die Einleitung. No shit, Sherlock! Genau das wäre aber dringend notwendig gewesen, um erst einmal wichtige Einblicke in all die seltsamen Regeln zu erlangen. Sie lassen den Spieler oft sogar gegen die eigene Intuition handeln. Kinder z.B. brauchen keinerlei Nahrung – das weiß doch jeder! Außerdem ist es pädagogisch wertvoll, sie auch in gefährlichen Situationen immer im Huckepack herumzutragen – selbst wenn ein Säbelzahntiger zum Sprung ansetzt. Die Passagiere der mobilen Fell-Kita sollen ja alles lernen und mitbekommen, was in der Wildnis vor sich geht. Wir wollen schließlich an wertvolle Neuronen-Energie für den Rollenspiel-ähnlichen Entwicklungs-Baum des Gehirns gelangen.
Einzigartiges Spielgefühl
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Schade, dass sich der eigentlich spannende Mix aus Action-Adventure und Überlebenskampf unter solch einem Wust sperriger Mechaniken, Steuerungs-Macken und Grafikfehlern versteckt (die Menschenaffen laufen z.B. komplett ohne Kollisionsabfrage in ihre Stammesgenossen hinein). Das grundlegende Thema des Spiels ist schließlich sehr motivierend: Wann hatte man schon einmal die Möglichkeit, die erste Phase der menschlichen Vorgeschichte so intensiv aus erster Hand zu erleben? Kein Wunder, dass Désilets für das ungewöhnliche Vorhaben ein neues, nicht all zu großes Studio gegründet hat.
Jeden Tag startet man immer mutigere Streifzügen durch den Wald, um neue Entdeckungen zu machen: Sobald das Hantieren mit beiden Armen erlernt wurde, lässt sich ein toter Ast zu einem praktischen Speer abschaben. Mit dem hebelt man danach schwere Steine aus dem Weg und entdeckt exotische Snacks wie Schnecken oder Pilze. Aber Vorsicht: Unverdauliche Schwammerl oder unreife Früchte können eine ordentliche Magenverstimmung und psychedelisches Bildwabern erzeugen – was sich mit ausgiebigem Trinken am Fluss wieder entgiften lässt. In diesem Spiel dreht sich alles darum, neue Dinge zu erlernen, Neuronen zu verbinden und zu festigen, um schließlich im Laufe mehrerer Generationen mit Mutationen die Evolution voranzutreiben. All das ist natürlich keine akkurate Simulation, orientiert sich aber an echten Abläufen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Die Macht der Fortpflanzung
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Eine wichtige Voraussetzung für fähige Führungskräfte künftiger Generationen ist die Fortpflanzung. Die Partnersuche gestaltet sich erstaunlich einfach: Eine Rückenmassage mit idiotensicherem Minispiel genügt – und schon ist die Angebetete bereit für eine Partnerschaft und die „Sexy Time“ mit verschämt nach oben schwenkender Kamera. Ein paar lustvolle Grunzer später darf man sogar schon zur Geburt vorspulen und hat ein weiteres Baby, um die kommende Generation des Stamms zu sichern.