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Amy (Action-Adventure) – Amy

Das Grauen zieht Menschen magisch an – egal ob in Büchern, Filmen oder Spielen. Die Gänsehaut der leisen Töne hat es allerdings schwer in einer digitalen Welt, die gerne brachial zerfetzt. Doch neben diesem spektakulären Terror, der in Resident Evil 5 oder in Dead Space 2 wütete, gab es auch immer subtilen Horror wie etwa in Silent Hill oder in Amnesia. Ein kleines Spiel namens Amy will mit kreativen Ideen an diese Tradition anknüpfen. Gelingt der Nervenkitzel zum Sparpreis?

© VectorCell / Lexis Numérique / Namco Bandai

Wenn der Geduldsfaden…

[GUI_PLAYER(ID=81197,width=400,text=Die Beziehung zwischen Lana und Amy wird gut inszeniert.,align=right)]…reißt: Ich schaue auf einen Rock, dann auf eine verschmutzte Strumpfhose. Schon wieder. Zum x-ten Mal. Denn Lana steigt eine Treppe hinab. Eben ist sie ja hinauf gestiegen. Elendig langsam fängt die Kamera jeden vorsichtigen Schritt ihrer Stöckelschuhe ein. Und das, obwohl die Welt um sie herum gerade im blutigen Chaos versinkt. Obwohl der Tod mit jeder Sekunde lauter an ihr Immunsystem klopft. Obwohl sie die Panik vor all den Monstern immer zur Eile zwingen müsste. Obwohl da draußen ein kleines Mädchen auf sie wartet. Aber nein – sie stakst seelenruhig hinab.  Warum zieht sie die High Heels nicht aus? Warum bricht sie die Stöckel nicht ab?

Was ist bloß in die Entwickler gefahren, dass sie mir diese langweilige Kletterei so oft aufzwingen, ohne dass ich sie abbrechen kann (nur die Zwischensequenzen kann man nach einem ersten Update vorzeitig beenden)? Diese schlecht designte Szene ist symptomatisch für ein Spiel, das ich aufgrund seines emotionalen und kooperativen Potenzials eigentlich

Die Technik:

Pro


+ solide Mimik & gutes Figurendesign
+ stimmungsvolle Kulissen
+ ansehnliche Verwandlungsszenen
+ sehr gute Soundeffekte

Kontra:


– Tearing & Ruckler
– nur simple Kampfanimationen
– schwache Texturen im Detail
– zwischendurch Soundprobleme © 4P/Screenshot

lieben will. Wenn ich mit einem zitternden Mädchen an der Hand vor einem Monstrum fliehe, in letzter Sekunde in einem Schrank eine Zuflucht finde, während die Kreatur schnaufend nach ihren Opfern sucht und im Spiegel erkennbar ist, wie sie immer näher kommt, ist Gänsehaut garantiert. Das ist ein starker Moment!

Die Angst im Schrank

Aber es gibt so viele schwache. Amy inszeniert einen Horrortrip, der leider öfter frustriert als fasziniert. Die Steuerung aus der Schulterperspektive ist zu träge, interessante Gegenstände werden manchmal zu spät angezeigt, das Inventar ist zu oberflächlich designt, es  kommt immer wieder dazu, dass Befehle nicht sauber ausgeführt werden und man muss zu viel Trial & Error ertragen – sprich: Man braucht sehr viel Geduld, wenn man in einen Fluss kommen will. Warum ich mir dann noch weiter den Kopf zerbreche? Weil das Spiel wie ein ungeschliffener Horrordiamant wirkt. Der Survival-Horror braucht dringend diese Impulse, die hier ab und zu aufblitzen. Und in Amy sprach alles dafür, dass Paul Cuisset nach Flashback (1988) wieder etwas Bemerkenswertes gelingt – nicht erzählerisch, aber dramaturgisch hinsichtlich der Beziehung und Bindung zweier Charaktere.

In der Rolle der zwanzigjährigen Lana kämpft man zusammen mit der achtjährigen Amy im Westen der USA ums Überleben. Der fiktive Hintergrund des Jahres 2034 mutet

Im Kampf kann Lana entweder einfach zuschlagen oder ausweichen; Waffen nutzen sich mit der Zeit ab.
Im Kampf kann Lana entweder einfach zuschlagen oder ausweichen; Waffen nutzen sich mit der Zeit ab. © 4P/Screenshot

zunächst wenig aufregend an: Es sind schon wieder Viren, die nach einem Kometeneinschlag aus Menschen wandelnde Monster machen – guten Morgen ihr Zombies, auch schon wieder wach? Die Comics und die TV-Serie zu The Walking Dead demonstrieren ja aktuell, wie man dem überlaufenen Thema mit einem guten Drehbuch frische Faszination abgewinnen kann. Daran kann das Drehbuch von Amy mit seinen fünf Kapiteln zwar bei weitem nicht anknüpfen, aber man wird durchaus neugierig auf die Geschehnisse in der Kleinstadt Silver City und an der einen oder anderen Stelle überrascht. Die englischen Sprecher (man kann deutsche Untertitel aktivieren) sind solide, auch wenn die Dialoge manchmal seltsam hallen. Man vermisst jedoch recht früh ein Tagebuch, das die Hintergründe der Protagonisten und auch die Storyfetzen zusammen fasst – stattdessen kann man alte Zeitungen, die etwas über die Ereignisse informieren, noch nicht mal in einem Inventar verstauen, um sie später zu lesen. Schade, da war mehr drin!