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Cozy Games: Dieses Spiel hat das Genre durchgerüttelt – darum müsst ihr es selbst erleben

Cozy Games zeichnen sich meistens durch Unbeschwertheit und Gute-Laune-Faktor aus. Nicht jedoch Wanderstop.

Alta aus Wanderstop braut Tee
© Annapurna Interactive

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Farmen, vielleicht ein bisschen Angeln und nebenbei die große Liebe suchen – das sind typische Gameplay-Elemente von Spielen der Kategorie Cozy Games. Hauptsache, es entsteht die Möglichkeit, sich vom Alltagsstress loszureißen und den Kopf für ein paar Stunden auszuschalten.

In Wanderstop müsst ihr euch allerdings auf eine etwas andere Herangehensweise an die Gemütlichkeits-Rezeptur einstellen, welche euch mit bedeutsamen Fragen über das Leben konfrontiert. Eine unerwartet emotionale Reise, die man meiner Ansicht nach unbedingt selbst gemacht haben sollte, um ihren Reiz nachzuvollziehen.

Cozy Games: Entspannung, die zu Ermüdung führen kann

Schon als ich zum ersten Mal von Wanderstop gehört habe, war mir recht schnell klar, dass großes Potenzial darin schlummert. Der erste Trailer verkaufte das Spiel als beruhigende Teeladen-Simulation, deutete aber bereits einen düsteren Twist an. Auch wenn mich allein die Idee an ihrer Oberfläche hellhörig werden ließ, war es erst die Aussicht auf tiefgreifendere Themen, welche mich aus meiner sich anbahnenden Müdigkeit in Bezug auf Cozy Games wachrüttelte.

Ich liebe ja Animal Crossing, Harvest Moon und viele der den Urgesteinen nacheifernden Titel, aber mittlerweile fällt es mir immer schwerer, mich davon nicht unterfordert zu fühlen. Zu oft liegt der Fokus hauptsächlich auf Gameplay-Gimmicks und niedlicher Optik, Dialoge und Storytelling wirken eher wie obligatorische Lückenfüller. Da lobe ich mir den Vorsatz von Wanderstop, tatsächlich eine bedeutsame Botschaft zu vermitteln und mit dem zum Augenverdrehen anregenden Friede-Friede-Eierkuchen-Image der Cozy-Kategorie zu brechen.

Manchmal muss man nämlich nicht alles Schlechte im Leben ausblenden, um sich besser zu fühlen. In einigen Fällen hilft es auch, sich mit traurigen oder frustrierenden Situationen auseinanderzusetzen, um die eigene Schwermütigkeit zu erleichtern. Beispielsweise durch Medien wie Filme oder eben Videospiele, die eine sichere Distanz zur Realität bieten. Wanderstop hat dieses Bedürfnis für mich erfüllt, aber wie ist das eigentlich gelungen?

Wie schon Onkel Iroh sagte: „Setz dich und trink erstmal einen Jasmintee“

Im Mittelpunkt der Erzählung steht Alta, eine Wettbewerbskämpferin, die ihren Fall vom Status als ungeschlagener Champion nicht wahrhaben will. Sie glaubt fest daran, dass allein harte Arbeit und pausenlosen Training der Schlüssel zu neu aufgebautem Erfolg und damit ihrem eigenen Glück sein können. Also begibt sie sich auf die Suche nach einer berühmten Meisterin, in deren Lehre sie mit eiserner Willenskraft und knallharter Disziplin zu alter Stärke finden will.

Hier der Launch-Trailer von Wanderstop:

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Während dieser verlässt Altas Körper plötzlich alle Kraft und sie strandet unfreiwillig vor einem Teelanden mitten im Nirgendwo. Der Besitzer des Geschäfts Boro schlägt ihr vor, sich mit dem Brauen leckerer Heißgetränke zu beschäftigen, solange sie sich zu schwach fühlt, um weiterzuziehen. Widerwillig und noch nicht ganz überzeugt von diesem für sie sinnfreien Zeitvertreib, stolpert Alta in ihr Leben als Teeköchin.

Tun, was glücklich macht, auch wenn es unproduktiv ist

Gameplay-seitig ist Wanderstop eher simpel gehalten. Um neue Tees zu kreieren, steht eine Maschine mit mehreren Hebeln zur Verfügung, in der unterschiedliche Zutaten für verschiedene geschmackliche Erlebnisse zusammengemischt werden können. Diese lassen sich durch Gartenarbeit auftreiben, bei der Pflanzen gegossen, miteinander gekreuzt und abgeerntet werden.

Kund*innen wünschen sich meist bestimmte Mischungen, von denen sie sich spezielle Effekte oder Gefühlsoffenbarungen erhoffen. Beispielsweise einen Nostalgieschub, den eine Frucht liefert, in deren Beschreibung steht, sie würde schmecken wie das liebste Essen aus der Kindheit. Geld gibt es für eure Serviceleistung allerdings nicht, auch keine Punkte oder ähnliche Arten quantifizierbaren Fortschritts. Heißt, es können auch keine Upgrades für euren Shop, neue Items oder Verbesserungen von Werkzeugen erworben werden. Ganz nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel.

Einzig kleine Deko-Objekte für die Regale im Teeladen dienen zwischendrin als kleine Belohnung, die sind allerdings recht einfach zu jeder Zeit auffindbar, wenn man beispielsweise in herumliegenden Blätterhaufen wühlt. Gleiches gilt bezüglich sammelbarer Bilder, welche in die leeren Rahmen des Gebäudes gehören. Für weitere Aufhübschung der Umgebung bieten sich überall verteilte Blumenkästen an, die mit umgetopften Pflanzen aus dem Garten verzierbar sind.

Aber auch diese Aktivitäten dienen nur zum Selbstzweck, wie ich feststellen musste, nachdem trotz voll befüllter Gefäße, komplettierter Bildersammlung und voll gestellten Regalböden das erhoffte Achievement ausblieb. So hat sich der Kern von Wanderstop mir nochmal klarer vor Augen geführt: Es ist okay unproduktiv zu sein. Die Unsicherheit darüber, im Leben nicht voranzukommen, sollte den Momenten des Genießens nicht im Wege stehen.

Wanderstop läuft übrigens trotz des Einstufung „spielbar“ wunderbar auf Steam Decks wie diesen:

Pausen einzulegen ist eine Kunst

Davey Wreden, Schöpfer von Wanderstop, hat in dem Spiel seine eigenen Erfahrungen mit Burnout verarbeitet. Nach seiner Arbeit an The Stanley Parabel und The Beginners Guide fühlte er sich leer, befürchtete, nie wieder eine Erzählung für ein Game schreiben zu können. Mit dem Einschub eines Cozy Games wollte er seine innere Unruhe bekämpfen. Doch er stellte fest, dass es gar nicht so einfach ist, loszulassen und nichts zu tun, wenn man sich so lange von dem Drang abhängig gemacht hat, ständig alles zu geben. Ganz ähnlich wie Protagonistin Alta eben.

Zu dieser schweren Lektion gesellen sich Abschnitte über Verlust beziehungsweise Vergänglichkeit und Selbstakzeptanz. Alles zusammen verpackt in eine Geschichte mit liebenswerten Charakteren, humorvollen Momenten und starker Atmosphäre. Erst die Mischung all dieser Elemente macht das Herz von Wanderstop wirklich spürbar, deswegen reicht es nicht, sich dessen Weisheiten nur bewusst zu machen, die kleinen persönlichen Aha-Momente entstehen beim Spielen.

Daher mein Rat: Wenn ihr glaubt, das Game könnte für euch als Person relevant sein, weil ihr euch beispielsweise häufig selbst unter Druck setzt, dann probiert es unbedingt aus. 24,99 Euro müsst ihr für die PS5-Version abdrücken, auf Steam, wo ihr übrigens eine kostenlose Demo findet, sind nur 22,99 fällig.

Wanderstop ist übrigens Teil unserer Liste mit Geheimtipps für das Jahr 2025. Die beinhaltet allerdings nicht nur Cozy Games, sondern auch Kleinode verschiedenster anderer Genres.

Quelle: YouTube / PlayStation