Mit über 1,5 Millionen Spieler*innen schmückte sich der Survival-Shooter am zweiten April – wenige Tage nach Release. Mitverantwortlich für diese Erfolgsgeschichte dürfte nicht nur „die Kreativität und das Engagement des gesamten Teams hier bei Rebellion“ sein, wie es in der offiziellen Bekanntmachung heißt. Dass Atomfall mit der Veröffentlichung auch im Xbox Game Pass bereitstand, muss als gewinnender Schachzug von Rebellion-Chef Jason Kingsley und Team gewertet werden.
Immerhin sorgte das für einen niedrigschwelligen Einstieg bei Bestandskund*innen von Microsofts Abo-Angebot. Und wie um diesen Erfolg nochmal die Krone aufzusetzen, stehen die Vorzeichen bei den Brit*innen aktuell auf Atomfall 2. „Jetzt sieht es so aus, als ob wir mehr Atomfall machen wollen“, so Kingsley jüngst zum Branchenblatt GamesIndustry.biz. Eine Aussicht, die ich als begeisterter Atomfall-Spieler nur begrüße – denn böte ein zweiter Teil die Chance, Stärken auszubauen und Schwächen auszuräumen …
Atomfall: Kein Fallout, aber doch ein bisschen Stalker – in unserem Test
Zugegeben: In unserem Test vom geschätzten Kollegen Michael Sonntag konnte Atomfall nicht gerade brillieren. Für Michael wurde der Gameplay-Loop „nach wenigen Stunden sehr schnell dröge“ (kann ich nicht nachempfinden), sowie die „dumme KI“ verärgerte (da kann ich schon eher mitfühlen). Dass Atomall letztlich als „erfrischende Alternative zu Fallout und Stalker“ nur eine lauwarme 6.0-Testwertung nachhause nahm, beißt sich allerdings mit meiner persönlichen Spielerfahrung.
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Ich bin bereits jetzt überzeugt: Meine 41 Stunden im postapokalyptischen England sind – so viel Blick in die Glaskugel darf sein – eines meiner persönlichen Gaming-Highlights 2025. Dennoch reiht sich ein Kollege Sonntag mit seinem kritischen Meinungsurteil durchaus in das internationale Echo von Presse und Spielenden ein – wofür auch ein nicht grottiger, aber doch eher durchschnittlicher User Score auf Metacritic von 6.8 steht.
Obwohl das Urteil aus der Fachpresse mit einem 75 Metascore dezent wohlwollender ausgefallen ist. Ergo: Atomfall ist kein Meisterwerk vor den Gaming-Göttinnen, vielmehr ein grundsolider Titel mit originellem Szenario – oder in welcher Postapokalypse könnte man sonst stilecht Tee schlürfen? Folglich ergäbe sich mit Atomfall 2 die Chance, überzeugte Spieler*innen direkt in Teil zwei mitzunehmen, und die größten Kritikpunkte auszubügeln. Einigen dieser pflichte sogar ich als leidenschaftlicher Zerstörer Oberons zu …
Hier kann ein Atomfall 2 nachbessern
Dass das beschauliche Städtchen Wyndham in Atomfall nach einem erstmaligen Erkundungsstreifzug durch weitestgehende Ereignislosigkeit glänzt, kann ich bestätigen. Zwar ist es anfänglich faszinierend, sich mit dem hiesigen Machtgefälle vertraut zu machen (The Protocol hat eine, von den Bewohner*innen verhasste Militärregierung, installiert), oder das Gespräch mit den wichtigsten Bewohner*innen zu suchen (vor allem die St. Katharine-Kirche ist vollgestopft mit mörderischen Geheimnissen), aber wer erstmal das von Betonmauern umkreiste Örtchen gründlich durchkämmt hat?

Hat keinen Grund, sich nochmal genauer umzusehen – gesetzt den Fall, man hat mit dem Metalldetektor auch die hinterletzte Brotzeitbüchse aufgestöbert. Anders gesagt: Sollte ein Atomfall 2 nachrücken, würde ein lebendigerer und mit mehr Quests gespickter Hauptschauplatz sicherlich von Spieler*innen begrüßt. Den größten Kritikpunkt, den ich allerdings persönlich ins Rampenlicht rücken möchte, hat mit dem Storytelling zu schaffen – und nicht auf kleiner, vielmehr großer Ebene.
In Sachen Wordbuilding und Prämisse habe ich weniger bis nichts auszusetzen. Wie sich Rebellion des realen Windscale-Reaktorunfalls aus dem Jahre 1957 bedient hat, um daraus eine fiktionale Postapokalypse zu stricken, feiere ich komplett. Vor allem, weil auf diesem Fleckchen Nordengland nichts so ist, wie es scheint – die Mystery-Plots aus der Twilight Zone lassen grüßen.

Zudem die Spielwelt, dieses Gegen- und Miteinander aus idyllischem Postkarten-Panorama, konterkariert von verfallenen Bunkeranlagen, verlassenen Forschungsanlagen, und quietschroten Telefonzelle hier und dort, ist ein Augenschmaus. So blickschön die Welt, so halb fertig erzählt ist leider die Geschichte von Atomfall. Denn, ja, das Open World-Actionspiel bietet – Achtung: Spoiler-Gefahr! – sechs verschiedene Enden. Aber keines davon erzählt meiner Meinung nach die Geschichte vernünftig zu einem Schlusspunkt. Was schade ist.
Keine kritische Kernschmelze – dafür viele Chancen für Atomfall 2
Weder wurde – Aufgepasst: Spoiler-Warnung, die Zweite! – gelüftet, wer hinter den mysteriösen Telefonanrufen steckt (obwohl aufmerksame Spieler*innen einen kryptischen Hinweis beim Telefonmann-Finale aufstöbern können). Noch wird greifbar, wie es für die Bewohner*innen der Zone weitergeht – abseits der als Powerpoint-Präsentation getarnten Schlusssequenzen. Machen diese losen Enden und unbeantworteten Fragen Atomfall zu einem schlechten Spiel? Nicht doch. Sie sind vielmehr der erzählerische Nährboden, aus dem eine mitreißende Fortsetzung erwachsen kann.

Schließlich würden die ungelösten Rätsel nicht bis heute in mir gären – knapp eine Woche, nachdem ich Atomfall durchgespielt habe – wenn die Sekte der Mutter Jargo, der Gedächtnisschwund des Protagonisten, oder das Protocoll-Regim rund um Captain Sims, nicht gezündet hätten. Unterm Strich sollte Rebellion also, bei einem Teil zwei, ein Städtchen wie Wyndham nicht nur mit Fachwerkhäusern, Pubs und einer gotisch anmutenden Kirche schmücken, vielmehr obendrein mehr Nichtspieler*innencharaktere mitsamt Quests reinstecken.
Demgegenüber die Landstriche außerhalb der Zivilisation, dürfen meiner Meinung nach gerne schön ausgedünnt bleiben – abgesehen vielleicht von einem gelegentlichen Feral-Angriff, oder einem aggressiven Schwarm Super-Bienen. Sofern dann noch die Gegner-KI den einen oder anderen IQ-Punkt hinzugewinnt, könnte ein Atomfall – der Postkarten-Postapokalypse zweiter Teil dort weitererzählen, wo Oberon uns verstrahlt zurückgelassen hat: im skurrilen Folk-Horror, einbettet in Kalter Kriegs-Paranoia und schön anzusehender Verfallseleganz.
Dann störte mich wie Kollege Sonntag auch nicht, wenn die Survival-Elemente unterentwickelt blieben. Ich hoffe demnach, dass aus dem „Ich weiß es nicht“ von Jason Kingsley auf die Frage, ob man bei Rebellion die Mittel für ein Atomfalls 2 aufbringen könne, bald ein schallendes „Why, of course we will!“ wird.
Quellen: Atomfall, GamesIndustry.biz, Metacritic