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Assassin’s Creed Shadows mal anders: Wie man das Open World-RPG auch genießen kann

Alles an einem Stück durchzocken? So kann ein Spiel auch schnell langweilig werden. Für Assassin’s Creed Shadows wähle ich daher einen anderen Ansatz.

Assassin's Creed Shadows - Fotokomposition mit Gerrit
© Ubisoft, 4P (Adobe Photoshop [M])

Assassin‘s Creed Shadows TEST: Eine wunderschöne Enttäuschung!

Fans von Assassin’s Creed haben sehr lange auf den Ausflug ins feudale Japan gewartet. Mit Shadows erfüllt Ubisoft nun endlich diesen Wunsch und lässt uns gegen Ende der Sengoku-Periode mit gleich zwei Hauptcharakteren eine spannende Geschichte voller Verrat und Verschwörung erleben – oder?Wir haben über 50 Stunden in der offenen Welt von Assassin’s Creed Shadows verbracht und haben nicht nur positive Nachrichten im Gepäck. Was wir zu kritisieren haben, erfahrt ihr in unserem Test-Video!

Ist Assassin’s Creed Shadows den hohen Erwartungen der Fans nun gerecht geworden, gar ein Heilsbringer für das angeknackste Ubisoft-Image? Oder nur der Abgesang eines ehemals kultigen Franchises, das seinen Höhepunkt schon mit dem zweiten Serienteil erreicht hatte?

Die Verkaufszahlen könnten Ubisoft zunächst zufrieden stimmen, schließlich legte das Spiel den zweitbesten Start der Reihe hin – was natürlich eher ein Spiegelbild der Erwartungen der Fans ist als ein wirkliches Qualitätsmerkmal. Aber auch die Kritiken zeigen sich eher positiv; mit 81 / 100 Punkten bei Metacritic bewegt sich Assassin’s Creed Shadows im Dunstkreis seiner Vorgänger.

Assassin’s Creed Shadows: Was tun, wenn es schnell langweilig wird?

Was zu Meckern findet man ja eigentlich immer, selbst wenn einen ein Videospiel über weite Strecken begeistert. Bei Assassin’s Creed Shadows pendelt sich diese Kritik meist bei einem ideenlosen Questdesign ein; ein Umstand, den auch ich bemängeln muss – und zwar nicht erst seit diesem Serienteil. Schon nach vergleichsweise geringer Spielzeit setzte da eine gewisse Müdigkeit bei mir ein, gleichzeitig wollte ich aber weitermachen, weil das opulente und attraktive Spiel auch viele Vorteile zu bieten hat.

Das Gameplay mit Naoe macht aufgrund ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten und Ausrüstung auch langfristig Spaß, aber die Paläste und Burganlagen in der Spielwelt von Assassin’s Creed Shadows sind so gleichförmig aufgebaut, dass ich von einem Déjà-vu ins nächste stolpere. Im Menü, das mir eine Übersicht über die Charaktere und potenziellen Eliminierungsziele gibt, wird eine Gruppierung nach der anderen aufgedeckt, die ich auslöschen soll. Und das geht auch meistens nach dem gleichen Schema vonstatten.

Puh, ganz schön viel Arbeit – denn in diese artet der Spielspaß mit der Zeit aus –, die ich mit Ritten durch die zu jeder Jahreszeit malerische Welt, Gebeten an den diversen Schreinen, Austoben mit dem Versteck-Feature und Katzen streicheln irgendwann nicht mehr ausgleichen kann. Aber bevor das Spiel, ohne dass ich im Endgame angekommen wäre, auf dem Gaming-Friedhof landet, gönne ich mir und ihm eine Pause.

Casual Game Assassins Creed

Und meiner Meinung nach tut das ganz gut: Einige Tage später springe ich wieder rein ins Spiel, hier eine Sammelquest gemacht, dort ein, zwei Aussichtspunkte erklommen (die natürlich mittlerweile einen Bart wie Methusalix haben, aber das ist auch einfach ein Element, das ich in Assassin’s Creed erwarte), etwas gelootet, schöne Fotos gemacht und eine Zielperson ausgeschaltet – und schon ist auch wieder eine Stunde vorbei, das war schön, aber reicht auch wieder. Ich komme in ein paar Tagen wieder.

Und ich merke, dass das Spiel mir in diesen Phasen viel Freude bringt – während sich zum Ende meiner Vorab-Spielzeit im Rahmen der Arbeit eine gewisse Monotonie einstellte. Nun habe ich aber das Gefühl, dass das Spiel davon profitiert, wenn man es nur alle paar Tage für wenige Stunden spielt. Ein Open World-Adventure als Gelegenheitsspiel. Warum auch nicht, man muss ja nicht jedes 50-, 60-, 70-Stunden-Spiel in einem Rutsch abhaken. Nehmt euch mal wieder mehr Zeit, ein Spiel tiefer zu genießen und euch darauf einzulassen, die verschiedenen Aspekte des Gameplays auszuleben und die grandiose Welt zu entdecken.

Die Tempel sind alle vom Aufbau gleich? Ja, aber dann macht halt nur einmal die Woche einen, dann habt ihr auch in einem Jahr noch etwas davon. Wenn es nicht gerade am Ende der Map ist, reist auf dem Pferd oder zu Fuß zu eurem Ziel – und zwar auf den Wegen und nicht querfeldein; dann werdet ihr viele schöne Momente und Begegnungen haben. Assassin’s Creed Shadows als Entschleunigung zu spielen ist vielleicht nicht der Ansatz, den die meisten von euch im Sinn hatten. Aber wenn ich am Wochenende eine Gaming-Session starte und mehrere Spiele auf dem Plan stehen, starte ich jetzt immer mit einer „Runde“ Assassin’s Creed Shadows.

Lesetipp: Unser Review zu Assassin’s Creed Shadows

Mut zur Neuausrichtung – bei den Spieler*innen

Vielleicht klappt es nicht für jede und jeden, weil ihr dann bei der Story „wieder raus“ seid – was bei den ganzen Namen, Beziehungen und politischen Verstrickungen kein Wunder wäre. Die wirklich wichtigen Story-Stränge um Naoe und ihrer Rache am Wahren Bakufu, ihre Kameradschaft mit Charakteren wie Junjiro oder Gennojo sowie Yasukes geheimnisvolles Erbe solltet ihr aber trotz allem gut verfolgen können.

Manchmal brauchen Spiele einfach ein bisschen Zeit – entweder, bis sie so richtig ins Rollen kommen, oder, bis sie gereift sind und man sie vielleicht in einem anderen Licht sieht. Ich kann verstehen, wenn man Spielen keinen langen Zeitraum geben will, bis sie einem Spaß machen – es sollte schon ziemlich schnell Klick machen, genauso wie bei Büchern oder Serien. Es gibt einfach zu viele Alternativen da draußen.

Aber manchmal genügt auch ein anderer Ansatz, mit dem man ein Spiel angehen kann (oder sollte). Und für Assassin’s Creed Shadows (und vielleicht auch künftige Teile) ist dieser Ansatz, das ausufernd und spektakulär aufgetischte Mahl in kleinen Häppchen zu genießen.