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EU-Urheberrechtsreform: Über 170.000 Demo-Teilnehmer; CDU beklagt gekaufte Demonstranten; Abstimmung im Stream

Über 170.000 Demo-Teilnehmer; CDU beklagt gekaufte Demonstranten; Abstimmung im Stream

© Europäische Union / Europäische Union

Aktualisierung vom 26. März 2019, 09:20 Uhr:

 

Die heutigen Reden sowie die Abstimmung können momentan übrigens im offiziellen Livestream sowie auf dem ARD-Kanal Phoenix (inklusive Übersetzung) mitverfolgt werden. Die endgültige Entscheidung wird laut Web-Auftritt des Bayerischen Rundfunks am Mittag erwartet: Zwischen 12:30 Uhr und 13:30 Uhr soll demnach das EU-Parlament in Straßburg über die umstrittene Reform des EU-Urheberrechts abstimmen.

 
Ursprüngliche Meldung vom 25. März 2019, 14:15 Uhr:

Über 170.000 Demonstranten sind laut einer Aufstellung von Netzpolitik.org am Wochenende europaweit gegen die EU-Urheberrechtsreform auf die Straße gegangen, weil sie Einschnitte im Gebrauch des Internets und bei der Meinungsfreiheit (u.a. durch Upload-Filter) befürchten (wir berichteten). Das Portal hat u.a. die jeweiligen Zahlen von Polizei und Veranstaltern aufgelistet.

Am besten besucht waren demnach die Demos in deutschen Städten, vor allem in München und Berlin, wo die Zahl auf jeweils rund 40.000 Teilnehmer geschätzt wird. Am morgigen Dienstag, 26. März, soll schließlich über die Urheberrechtsreform im EU-Parlament abgestimmt werden. SPD-Europapolitiker Tiemo Wölken hält es laut Handelsblatt.com mittlerweile für wahrscheinlich, dass das Europaparlament den umstrittenen Artikel 13 des neuen EU-Urheberrechts am Dienstag streicht.

Nach einer knappen Mehrhheit in der jüngsten Abstimmung im September seien die europaweiten Proteste am Wochenende ein starkes Zeichen gewesen. „Es wird knapp, es ist eine knappe Entscheidung, aber ich glaube, dass es am Ende für eine Streichung reicht“ so Wölken, der selbst für die Abstimmung ein solchen Antrag eingereicht habe. Das Handelsblatt erläutert die aktuelle Lage folgendermaßen:


„Sollten die Abgeordneten dem Vorhaben in Gänze zustimmen, würde es mit höchster Wahrscheinlichkeit noch vor der Europawahl Ende Mai beschlossen. Das Parlament könnte sich auch dafür aussprechen, einzelne Artikel zu streichen. Dann müssten die EU-Staaten dem anschließend allerdings zustimmen. Falls sie das nicht tun, müssten Europaparlament und EU-Staaten erneut verhandeln. Diese Verhandlungen wären wohl erst, nachdem das neue Europaparlament Anfang Juli zusammengekommen ist. Sollte das Parlament den gesamten Vorschlag am Dienstag ablehnen – was als unwahrscheinlich gilt -, müsste ebenfalls erneut verhandelt werden.“

Zudem sorgte Daniel Caspary am Wochenende mit einer Aussage über angeblich gekaufte Demonstranten für Aufregung. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament gehört zu den Unterstützern der geplanten Reform und erklärte auf Bild.de:

„Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu verhindern. Bis zu 450 Euro werden von einer sogenannten NGO für die Demoteilnahme geboten. Das Geld scheint zumindest teilweise von großen amerikanischen Internetkonzernen zu stammen. Wenn amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere Demokratie bedroht.“

Der Post sorgte allerdings für massive Kritik – auch aus der eigenen Partei – unter anderem vom schleswig-holsteinischen CDU-Abgeordneten Lukas Kilian:



Caspary ruderte laut n-tv.de allerdings am Sonntag auf Twitter zurück: „Um eines klarzustellen: nie habe ich gesagt, alle Demonstranten seien gekauft (…) Vor den vielen Menschen, die für ihre Meinung auf die Straße gehen, habe ich großen Respekt. Immer werde ich mich für Freiheit, Demokratie und das Recht auf Demonstrationen einsetzen. Ich bedauere, wenn ein anderer Eindruck entstanden sein sollte.“

n-tvs Online-Auftritt ist auch dem Anlass des Bestechungs-Vorwurfs auf den Grund gegangen. Caspary scheint sich demnach auf eine Aktion der digitalen Bürgerrechts-Organisation Edri zu beziehen, welche laut Bild am Sonntag „Reisestipendien“ nach Brüssel und Straßburg spendiert habe, um den Druck auf die Parlamentarier bei der Abstimmung in direkten Gesprächen zu erhöhen. Die Nachrichtenseite resümiert in ihrem Fakten-Check:

„Für die ausgewählten 20 Aktivisten aus ganz Europa, darunter auch aus Deutschland, gab es bis zu 350 Euro Reisekostenerstattung, zwei Gratis-Übernachtungen sowie Workshops, in denen sie für die Gespräche instruiert wurden.“ Edri werde unter anderem „von Konzernen wie Twitter und Microsoft“ finanziert.Diese Reisestipendien gab es wirklich, die Kosten für die zwei Übernachtungen gibt Edri mit jeweils 50 Euro an – macht 450 Euro, wie bei Caspary. Das Geld gab es allerdings nicht „für die Demoteilnahme“ und schon gar nicht für „gekaufte Demonstranten“, sondern für die „Reisekosten von bis zu 350 Euro“, um nach Brüssel zu kommen, wie es auf der Seite der Organisation heißt.“